«Es hat mich positiv überrascht, wie offen das Ministerium für fachliche Argumente war.»
 
Foto © BMFSFJ
 
Das deutsche Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat Ende September das Dossier «Gleichstellunspolitik für Jungen und Männer» vorgelegt. Das Dossier legt die Grundlagen, um Jungen und Männer in die Gleichstellungspolitik einzubeziehen. Empirisch fundiert, liefert es klare Zielsetzungen und konkrete Massnahmen und berücksichtigt dabei spezifische Lebenslagen und Herausforderungen von Jungen, Männern und Vätern. männer.ch begrüsst das Dossier als wichtigen Schritt hin zu einer egalitären Gesellschaft. Hier erfährst du etwas zum Hintergrund des Dossiers, denn der Verfasser ist kein Unbekannter…
 
«Die Anforderungen an Männer sind heute vielfältig und komplex. Jungen und Männer sollen emotional, offen und verständnisvoll sein und gleichzeitig aber auch stark und ‘männlich’. Sie sollen beruflich erfolgreich sein, aber auch aktiv am Familienleben teilnehmen und als liebevolle fürsorgliche Väter ihren Teil an der Kindererziehung leisten – auch nach einer eventuellen Trennung.» Das sagt Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey. Sie stelle das Dossier am 28. September – just einen Tag nach Annahme des Vaterschaftsurlaubes in der Schweiz – vor. Wer weniger im Vordergrund steht – und das soll keine Kritik sein – ist der Verfasser selbst. Es handelt sich um Markus Theunert, männer.ch-Gesamtleiter sowie Leiter des Schweizerischen Instituts für Männer und Geschlechterfragen (SIMG). Ich habe ihm ein paar Fragen gestellt.
 
 

Markus Theunert,
Gesamtleiter männer.ch, Institutsleiter SIMG
 
 
Valentin Kilchmann: Wieso hat das BMFSFJ gerade dich angefragt zur Ausarbeitung ihrer Strategie?
 
Markus Theunert: Nun ja, ein ganz unbeschriebenes Blatt bin ich ja nicht…. 2012 hatte ich das Grundlagenwerk «Männerpolitik» herausgegeben. Es hat zum ersten Mal im deutschen Sprachraum die Programmatik progressiver Männerpolitiken systematisch gebündelt. Seitdem war ich immer wieder auch als Referent nach Deutschland eingeladen. Bei einer dieser Anlässe hatte ich auch die Leiterin des Referats «Jungen und Männer in der Gleichstellungspolitik» innerhalb des Ministeriums persönlich kennengelernt. Konkret hat das deutsche Bundesministerium einfach verschiedene Fachleute in einem Einladungsverfahren gebeten, ein Angebot zu unterbreiten. Mein Vorgehensvorschlag hat offenbar überzeugt.
 
Das Eidgenössische Gleichstellungsbüro hat im Gegensatz zum BMFSFJ bis heute weder eine Strategie als solche noch eine geschlechtsspezifische Strategie.
Welche Parallelen würdest du zur Situation in der Schweiz ziehen? Gibt es Unterschiede?
 
Das Dossier leistet Verschiedenes: Es ist eine Art Einführung in gleichstellungsorientierte Männerpolitik, eine evidenz-basierte Bestandsaufnahme aktueller Herausforderungen von Jungen und Männern, zuletzt auch ein strategisches Rahmenkonzept für die politische Umsetzung. Ganz grob gesagt habe ich bei der Erarbeitung einmal mehr festgestellt, dass die Herausforderungen von Jungen und Männern in beiden Ländern gut vergleichbar sind. Der Hauptunterschied ist, wie politisch damit umgegangen wird. Das Eidgenössische Gleichstellungsbüro hat ja bis heute weder eine Strategie noch eine geschlechtsspezifische Strategie. Man arbeitet einfach die Legislaturziele des Bundesrats ab, die stark aufs Erwerbsleben und Lohngleichheit fokussieren – und den häuslich-familiären Bereich weitgehend ausblenden. Da erlebte ich das deutsche Ministerium wesentlich ganzheitlicher, offener und moderner, letztlich auch mutiger. Das EBG hat sich beispielsweise noch nie zur Aussage durchgerungen, dass eine faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern eine hälftige Verteilung sein muss. Diese Ansage steht klar und deutlich im veröffentlichten Dossier.
 
Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer ist ein Anliegen, das aus verschiedensten politischen Perspektiven Sinn macht. Es verbindet auch unterschiedliche Ansätze, ohne sie gegeneinander auszuspielen, namentlich die Förderung von Vielfalt und die Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit.
Bist du zufrieden mit dem Ergebnis?
 
Ja, sehr. Ich hatte zu Beginn doch sehr Respekt, dass die Arbeit am Dossier mit grossen fachlichen Kompromissen einhergeht. Da hat es mich positiv überrascht, wie offen das Ministerium für fachliche Argumente war. Aus meiner Sicht ist das Dossier durchaus ein Meilenstein. Ich möchte zwei Punkte hervorheben: Einerseits macht es klar, dass Jungen und Männer Gleichstellungspolitik mitgestalten dürfen und müssen, mehr sind als Empfänger von Veränderungsappellen. Andererseits liefert das Dossier ein integratives Rahmenkonzept, das zeigt: Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer ist ein Anliegen, das aus verschiedensten politischen Perspektiven Sinn macht. Es verbindet auch unterschiedliche Ansätze, ohne sie gegeneinander auszuspielen, namentlich die Förderung von Vielfalt und die Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit.
 
Wie nimmst du die Aufnahme der Strategie war im deutschen Politikbetrieb?
 
Ich habe da nur sehr selektiv Einblick. Wahrnehmbar war, dass männerrechtlerisch-antifeministische Kreise wüste Polemiken darüber geschrieben haben – leider ohne das Dokument wirklich gelesen zu haben. Ob es eine vertiefte Auseinandersetzung in den Institutionen und Parteien darüber gibt, kann ich nicht beurteilen.
 
  • Hier geht’s zur Übersichtsseite des BMFSFJ.
  • Hier gibts die Kurzfassung des Dossiers.
  • Und hier die Langfassung.

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