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Männlichkeitsvorstellungen und Gewalt

Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein grosses Problem. Geschlechtsspezifische Gewalt richtet sich gegen Frauen UND Männer – und hat viel mit Männlichkeitsnormen wie „Stärke“ und „Dominanz“ zu tun. Um Gewalt zu überwinden, muss sich unsere Gesellschaft damit auseinandersetzen, was „männlich“ sein soll. Deshalb ist männer.ch Partner der diesjährigen Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ vom 25. November bis 10. Dezember 2018.

Aktionen

Online- und Strassenaktion

Sei Teil der diesjährigen Kampagne! Mach mit bei der Entwicklung einer Online- und einer Strassenaktion.

Eigene Veranstaltungen

Veranstaltungen von männer.ch-Kollektivmitgliedern und -Partnern

Veranstaltungen mit männer.ch-Mitwirkung

  • Filmfestival „frauenstark! – Frauenrechte im Fokus des Films“ von IAMANEH, 25. November – 10. Dezember 2018, Basel (Link folgt)
  • Podiumsdiskussion „Macht.Waffen. Männer?“ vom Schweizerischen Friedensrat, 7. Dezember 2018, 19.00 Uhr, Zürich (Link folgt)

Alle Veranstaltungen

Alle Veranstaltungen im Rahmen der Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ findest du (bald verlinkt) hier.

 

«Hey Boy» ist die filmische Auseinandersetzung mit der männlichen Geschlechterrolle und ihrer Zukunft. Rahel Egger realisierte diesen Dokumentarfilm als Maturaarbeit.

Fakten

Bei der diesjährigen Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ steht der Zusammenhang von Männlichkeitsvorstellungen und Gewalt im Zentrum. Männliche Sozialisation, Männlichkeitskonzepte und Gewalt sind eng miteinander verknüpft. Gewalt von Männern gegen Frauen, Kinder und andere Männer basiert auf Männlichkeitskonzepten, die mit Macht, Wettbewerb und Dominanz verbunden sind. Sie verlangen in gewisser Weise die Bereitschaft, gegenüber sich selbst und gegenüber Dritten Gewalt anzuwenden (vgl. Cycle of Male Socialization, Botkin 2015) und Männlichkeit als Gegenteil von Verletzlichkeit zu verstehen. Der im angelsächsischen Raum gebräuchliche Begriff der gender based violence (GBV) bringt diesen engen Zusammenhang anschaulich zum Ausdruck.

Gewalt gegen Frauen muss verurteilt werden. Dennoch ist es auch wichtig zu sehen, dass fast alle Männer ebenfalls von Gewalt betroffen: vom Junge zum Mann zu werden, bedeutet in der Regel, von Gewalt betroffen zu sein. Deshalb ist der Fokus auf Männlichkeitskonzepte wichtig, um jegliche geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern.

Um positive Männlichkeitsvorstellungen zu fördern und geschlechtsspezifische Gewalt zu überwinden, werden hier zuerst Männlichkeitsvorstellungen beleuchtet – also die Botschaften, Stereotypen und sozialen Anforderungen, die mit Männlichkeit verbunden sind. An zweiter Stelle werden die Zusammenhänge mit Gewalt dargestellt.

Schädliche Männlichkeitsnormen und ihre Auswirkungen

Männlichkeitsnormen fördern die Wahrscheinlichkeit, dass Jungen und Männer Gewalt erfahren oder ausüben. Folgende Fünf Prozesse werden in wissenschaftlichen Theorien (Heilman & Barker, 2018) beschreiben:

  • Mann-Sein ist ein erlerntes Konstrukt. Ein Mensch wird nicht dadurch zum Mann, dass er über die primären Geschlechtsmerkmale eines Mannes verfügt, sondern er muss die kulturell geltenden Männlichkeitsnormen erfüllen und sein Mann-Sein immer wieder bestätigen. Die ist der Kern der männlichen Sozialisation.
  • Männliche Performance wird kontrolliert. Ein Mann muss beweisen, dass er „ein ganzer Mann“ ist. Den dadurch erlangten sozialen Status muss er immer wieder aufs Neue beweisen. Die Gesellschaft – Männern und Frauen – kontrolliert dauernd, ob Jungs und Männer die Männlichkeitsanforderungen erfüllen.
  • Emotionen sind geschlechtsspezifisch. Männer werden davon abgehalten, (emotionale) Verletzlichkeit zu zeigen und werden angehalten, nur eine beschränkte Bandbreite an Emotionen zuzulassen.
  • Soziale Räume werden nach Geschlechtern unterteilt. Soziale Räume sind meist geschlechtsspezifisch in „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ unterteilt. Dies schafft und verstärkt Vorstellungen von Mann Sein und Frau Sein. Räume für Männer sind häufig Orte, an denen die Anwendung von Gewalt – und risikoreiches Verhalten – geübt und gefördert wird.
  • Erhalt von patriarchaler Macht und Strukturen: Gewalt dient letztlich dazu, die Dominanz von Männern gegenüber Frauen und von Männern gegenüber anderen Männern zu erhalten.

Wie hängen Männlichkeitsnormen mit gewalttätigem Verhalten zusammen?

  • Gewalt in Beziehungen: Männlichkeitsnormen fordern Jungs und Männer häufig dazu auf, Kontrolle und Macht über ihre/n Partner/in auszuüben. Dies legitimiert auch Gewalt.
  • Gewalt gegenüber Kindern (ausgeübt durch Erziehungs- oder Betreuungspersonen): Gewalt im familiären Kontext kann ein Instrument sein, mit dem Eltern die Erfüllung der Geschlechteranforderungen von Söhnen und Töchtern einfordern. Wenn Kinder Gewalt im familiären Kontext erleben, verinnerlichen sie von Beginn an hierarchische Machtgefälle zwischen den Geschlechtern.
  • Sexueller Missbrauch von Kindern: Gendernormen, die Männlichkeit mit heterosexueller Tapferkeit verbinden und mit Zugang zu und Kontrolle über den Körper von Frauen, Mädchen und Jungs, können zu sexuellem Missbrauch von Kindern beitragen.
  • Mobbing: Männlichkeitsvorstellungen sind mit Ursache von schikanierendem Verhalten durch Männer. Forschung belegt, dass der Wunsch des Gewalttäters, Macht und Kontrolle über das Opfer auszuüben, und um Genderkonformität durchzusetzen, zentrale Motive von Mobbing sind.
  • Mord und andere Gewalttaten: Kriminalitätsstatistiken zeigen durchwegs, dass Männer überproportional Gewaltverbrechen ausüben und häufig auf Männer als Opfer abzielen. Die Forschung weist auf einen tief verwurzelten Zyklus hin, der Gewalt mit männlicher Geschlechtsidentität verbindet. Männer und Jungen begehen häufig verschiedene Straftaten, um eine bestimmte Form von Männlichkeit zu beweisen.
  • Sexuelle Gewalt ausserhalb von Partnerschaften: Witze, Sprüche, Fernsehsendungen, Gesetze, Werbungen und zahlreiche andere kulturelle Kräfte verbinden sich sehr häufig zu einer sexistischen Realität, auch „rape culture“ genannt. Darin wird sexuelle Gewalt von Männern gegenüber Frauen als normaler oder sogar unvermeidlicher Bestandteil des Lebens gesehen.
  • Suizid: Weltweit sind Männer doppelt so häufig von Suizid betroffen wie Frauen, in europäischen Ländern sogar drei- bis viermal so häufig. Ursache für die erhöhte Suizidrate sind Gesellschaften, die von Männern verlangen, ihre Emotionen zu unterdrücken. Der Suizid wird als männlicher Akt konstruiert oder sogar stilisiert, was auch erklärt, wieso Männer häufiger unmittelbar tödliche Mittel anwenden wie zum Beispiel Schusswaffen.
  • Konflikte und Krieg: Zusätzlich zu dem enormen Verlust an Menschenleben – aller Geschlechter – der mit bewaffneten Konflikten verbunden ist, sind das Militär und eine militarisierte Kultur ein zentraler Bestandteil und Ausdruck einer Geschlechterhierarchie, in der Männlichkeit auf Kosten von Weiblichkeit höher gewertet wird.

Handlungsempfehlungen

Was braucht es, um geschlechtsspezifische Gewalt und Gewalt gegen Frauen zu überwinden?

  • Eine gesellschaftliche und fachliche Sensibilisierung für den engen Zusammenhang von Gewalt und Männlichkeit / männlicher Sozialisation, mithin die Einsicht, dass Männer in unserer Gesellschaft in gewisser Weise zu Gewalttätern gemacht werden.
  • Ein breiteres Gewaltverständnis: Gewalt beginnt lange vor einem Gewaltakt. Gewalt beginnt bei subtilen Formen von Dominanz, Instrumentalisierung und Missbrauch – individuell, institutionell, strukturell.
  • Die Förderung gewaltfreier und egalitärer Männlichkeitskonzepte (vgl. Botkin 2015), mithin einen social norms change, der fürsorgliche Männlichkeiten zur neuen Normalität macht.
  • Die individuelle und gesellschaftliche Bereitschaft, auch männliche Verletzlichkeit wahrzunehmen sowie eine geschlechterreflektiert arbeitende Opferhilfe resp. entsprechende Schulungen und Standards (vgl. Lenz & Kapella, 2012).
  • Jungen und Männer, die fähig sind, die Verantwortung für ihre Aggression wahrzunehmen und gewaltfrei damit umzugehen. Kompetenzvermittlung für gewaltfreie Konfliktbewältigung und konstruktiven Umgang mit Aggression – in Schule und Erwachsenenbildung.
  • Männer, die eine Beratung aufsuchen, wenn sie gewalttätig werden. Förderung, Verankerung und Qualitätssicherung der Arbeit mit Männern, die Gewalt ausüben. Kantonale und kommunale Regelfinanzierungen für Männergewalt-Beratungsstellen – und zwar nicht auf Kosten der Opferhilfestellen.
  • Mehr Männer in der familiären und professionellen Kinderbetreuung als Element der Gewaltprävention.
  • Vernetzung der Akteure, Bündnisbildung (z.B. Netzwerk zur Umsetzung der Istanbul-Konvention)

Literatur/Materialien (weitere folgen)