Der Geschlechtergraben bei den jungen Erwachsenen wird immer tiefer. Frauen verorten sich vermehrt links, Männer bleiben stehen mit Tendenz nach rechts. Prägungen hindern Männer daran, in Würde vom Sockel des Patriarchats zu steigen.
Die heute 18-30-Jährigen trennt ein immer tieferer Geschlechtergraben. Diese Analyse sorgt dieser Tage für Schlagzeilen. Ihr Fundament sind internationale Statistiken, die zeigen: Während sich immer mehr 18-30-jährige Frauen für Menschenrechte, Feminismus, Chancengleichheit und Klimaschutz einsetzen, bekämpfen immer mehr gleichaltrige Männer diese «linken» Anliegen. Auch für die Schweiz zeigen Daten der Forschungsstelle Sotomo, dass sich doppelt so viele junge Männer (43 Prozent) politisch «rechts» verorten als junge Frauen – Tendenz steigend.
Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit Geschlechterfragen und habe soeben eine Expertise über männlichkeitsideologische Radikalisierung veröffentlicht. Deshalb überrascht mich dieser Befund nicht. Während über Frauenemanzipation und -empowerment der Generation #MeToo bereits viel geschrieben wurde, bleibt die Analyse des männlichen Wegkippens nach rechts blass. Dabei können wir dank Geschlechterforschung und Männerarbeit diese Entwicklung gut verstehen. Eine Einordnung in fünf Punkten.
Die gute Nachricht: Bildung, (Selbst-)Liebe und männerspezifische Unterstützungsangebote schützen vor den Verheissungen der männlichkeitsideologischen Verführer. Die schlechte Nachricht: Unsere eigenen patriarchalen Prägungen verhindern die Einsicht, wie dringend nötig es wäre, Buben und Männer dabei zu unterstützen, in Würde vom Sockel des Patriarchats zu steigen.
Im Januar 2024 ist die Expertise «Faktor M – Männlichkeit und Radikalisierung» (Markus Theunert) erschienen. Diese ist im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus 2023-2027 mit Unterstützung durch das Bundesamt für Polizei entstanden und ist unter www.maenner.ch/radikalisierung kostenlos einsehbar.