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«Ich hoffe, dass solidarische Lösungen in der Schweiz wieder an Zuspruch gewinnen.» – Interview mit neuem Vorstands-Mitglied Matthias Keller

 

Ein neues Gesicht bereichert den Vorstand von männer.ch. Unsere Mitglieder wählten Matthias Keller an der letzten MV am 29. Juni einstimmig. Der Vater von (bald) zwei Töchtern ist Teilzeit-Holzingenieur und Unternehmer (dynamikprozessor.ch). Matthias sagt, er mag Beachvolleyball, gesellschaftliches Engagement und Fragen, die über Smalltalk hinausgehen. Hier stellen wir dem frischgebackenen Vorstandsmitglied einige solcher Fragen und geben euch so die Gelegenheit, ihn kennenzulernen.

 

Lieber Matthias, herzliche Gratulation zur Wahl in den Vorstand von männer.ch! Wir freuen uns, dich dabei zu haben. Du konntest schon vor deiner Wahl Vorstandsluft schnuppern und Einblick in seine Tätigkeiten gewinnen. Wie war das für dich?

Vielen Dank. Es freut mich auch, bei und mit männer.ch zu gestalten. Ich habe bereits viel Spannendes erleben dürfen, auch wenn die Vorstandstreffen digital stattfanden. Ich habe mich darüber gefreut, wie breit männer.ch aufgestellt ist und wie professionell und relevant der Auftritt von männer.ch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Das ist sicher auch daran gelegen, dass männer.ch bereits auf eine längere Wirkungsgeschichte zurückblicken kann. Es ist super, dass der Verband von vielen spannenden Persönlichkeiten mitgestaltet wird.

Wie ist die Stimmung im Vergleich zu – sagen wir mal – einem anderen Männerverein?

Ich habe keinen Vergleich zu einem anderen Männerverein. Was mich aber schon von Anfang an beeindruckte, war die professionelle, differenzierte und die vorwärts gerichtete Art der Kommunikation. Das hat mich angesprochen.

Was ich mir eigentlich wünsche: Eine Wirtschaft, die von sich aus Familien und Väter unterstützt. Es sind ja auch die Kund_innen und Mitarbeiter_innen der nächsten Generation.

Du bist ja Mitglied von männer.ch seit Oktober 2013. Wieso bist du damals dem Verein beigetreten?

Die ehrliche Antwort ist: Ich wollte meine Wahlchancen für die Einwohnerratswahl (Stadtparlament) Aarau erhöhen. Ich suchte damals einen Verein, der mein Anliegen auf Chancengleichheit der Geschlechter zum Ausdruck bringt. Das Motiv von damals war naiv. Das Anliegen ist und bleibt aktiv. männer.ch beizutreten war für mich ein Ausdruck davon, dass ich mich für mehr Teilzeitmöglichkeiten in der Wirtschaft, emotional ganzheitlicheres Mann-Sein, präsente Vaterschaft und Gleichberechtigung einsetze. männer.ch entspricht mir, weil man die Spannungen der Geschlechter-Gesellschaft nicht einseitig auflöst, sondern versucht,konkrete Wege zu finden und zu gehen. Das braucht Mut, differenziertes Arbeiten und Ambiguitätstoleranz. Diese Ganzheitlichkeit gefällt mir.

Was liegt dir persönlich am Herzen in Bezug auf Männerpolitik?

Zuerst: Ich bin sehr froh, dass wir ab diesem Jahr mit dem Vaterschaftsurlaub nun einen Schritt machen konnten. Wir sind damit aber noch nicht am Ziel. Die aktuelle Diskussion über die Elternzeit begrüsse ich. Doch lasst uns auch über alternative Unterstützungsprogramme für Eltern nachdenken! Unterschiedliche Lebensphasen brauchen unterschiedliche Lösungen. Warum nicht einen Erwerbsersatz (oder Grundeinkommen) für Familien mit Kleinkindern (bis 4 Jahre), wenn dafür beide Elternteile auf Erwerbsanteile verzichten? Ich hoffe, dass solidarische Lösungen in der Schweiz wieder an Zuspruch gewinnen.

Auch wirtschaftspolitisch gibt es für mich noch einiges an Handlungsbedarf. Es braucht Anreize dafür, dass sich in der Wirtschaft flexiblere Organisationsmodelle durchsetzen. Dadurch und mit Verbesserungen bei den Vorsorgewerken soll Teilzeit-Erwerb (besonders bei Männern und in allen Branchen) selbstverständlicher werden. Es beunruhigt mich, dass Teilzeit-Arbeit heute vor allem Gut-Verdienern vorbehalten bleibt. Dies, weil es sonst einfach nicht zum Leben reicht. Was ich mir eigentlich wünsche: Eine Wirtschaft, die von sich aus Familien und Väter unterstützt. Es sind ja auch die Kund_innen und Mitarbeiter_innen der nächsten Generation.

Ich wünsche mir, dass Mann-Sein positiv, verantwortungsvoll, respektvoll vorwärtsgerichtet, sensibel und angstfrei sein darf.

Und wie sieht es mit der Männerarbeit aus?

Für mich ist ein Schlüsselelement, dass Männer zu sich selbst finden. «Erkenne dich selbst» heisst es im Film Matrix. Das bedeutet für mich, sowohl eigene Stärken und Leidenschaften, aber auch Angst und Unsicherheit zu erkennen und mit sich selbst Frieden zu schliessen. Es braucht den Mut, sich nicht von den Ansprüchen der anderen treiben zu lassen. Daher will ich Männern Mut machen. Mut ohne Gewalt. Ich wünsche mir, dass wir in einigen Jahren sehen werden, dass Männer diesen Weg gegangen sind. Ich wünsche mir, dass Mann-Sein positiv, verantwortungsvoll, respektvoll vorwärtsgerichtet, sensibel und angstfrei sein darf.

Wieso ist die Schweiz so langsam, wenn es um Gleichstellungs- und Familienpolitik geht?

Wie erwähnt: Solidarität ist – meiner Meinung nach – aktuell stark umkämpft. Die Individualisierung auf der einen Seite und die Polarisierung auf der anderen Seite ziehen in unterschiedliche Richtungen. In dieser Konstellation ist es immer schwieriger, gesellschaftliche Entwicklungen zu etablieren und Lösungen zu erarbeiten, die basisdemokratisch getragen werden. Damit will ich aber nicht die direkte Demokratie beschuldigen.

Was braucht es, damit es schneller geht?

Ich wünsche mir Begegnung und Zusammenarbeiten über Parteien hinweg. Ein Traum vom guten Leben, vielleicht ist es das, was fehlt.

Ein Traum vom guten Leben, vielleicht ist es das, was fehlt.

«Ein Traum vom guten Leben» – klingt gut! Kannst du das kurz ausführen?

Träume sind individuell. Wenn ich Menschen nach ihren Lebensträumen frage, erhalte ich oft die Antwort,Land X zu bereisen oder mit einem Passiveinkommen finanziell unabhängig zu sein. Beides greift für mich zu kurz. Wenn ich vom guten Leben träume, dann will ich davon träumen, dass jeder Mensch genug zum Leben hat, dass Hunger und Armut besiegt ist, dass Kriegsmaterial nur noch in Museen zu finden ist, dass Menschen einer sinnspendenden Tätigkeit nachgehen können, dass Menschen in ihrer Einzigartigkeit gewürdigt werden und dass wir erleben, dass sich die Natur von den Strapazen der letzten Jahrzehnte erholt.

Thema Männlichkeit: Wann und wie wurdest du persönlich damit konfrontiert?

Es gab viele kleine Momente der Irritation. Spontan kommt mir unangebrachter, frauenverachtender Baustellen-Speech in den Sinn, der mich zum Nachdenken über Männlichkeit brachte. Ich war damals in der Lehre als Zimmermann, mitten in der Pubertät. Auch an Lebensphasenwechseln kam die Frage des Mann-Sein hoch: Beziehung-Leben, heiraten, Vater werden.

Zum Abschluss: Nenne uns drei Dinge, die wir über dich wissen sollten.

1. Gekauter Kaugummi gehört nie in den Hosensack.

2. Ich hatte meiner zukünftigen Frau gesagt, dass sie auf der Liste der Frauen ist, mit der ich mir vorstellen könnte, zusammen alt zu werden. Diese Liste ist mittlerweile Und wir haben den Vorfall überwunden (lacht) – wir sind glücklich verheiratet.

3. Ich mag Smalltalk nicht so. Darum stelle ich gerne gern spannende Fragen. Zum Beispiel: «Welchen Beruf hast du als Kind mal werden ausüben wollen und wieso?» «Was möchtest du unbedingt in deinem Leben mal erleben?» «Hast du ein Vorbild oder Idol? Was zeichnet diese Person aus?»

Herzlichen Dank, lieber Matthias, und weiterhin guten Start im Vorstand von männer.ch!

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